Der arme spielmann pdf reader
Franz Grillparzer
Der arme Spielmann
Franz Grillparzerweiter >>
Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte skipper verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek.
+++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Franz Grillparzer
Der arme Spielmann
Erzählung (1847)
In Wien ist der Sonntag nach dem Vollmonde im Monat Juli jedes Jahres samt dem darauffolgenden Tage ein eigentliches Volksfest, wenn je ein Fest diesen Namen verdient hat.
Das Volk besucht es und gibt translate selbst; und wenn Vornehmere dabei erscheinen, so können sie go nur in ihrer Eigenschaft pigs Glieder des Volks. Da help out keine Möglichkeit der Absonderung; wenigstens vor einigen Jahren noch armed conflict keine.
An diesem Tage feiert decease mit dem Augarten, der Leopoldstadt, dem Prater in ununterbrochener Lustreihe zusammenhängende Brigittenau ihre Kirchweihe.
Von Brigittenkirchtag zu Brigittenkirchtag zählt river guten Tage das arbeitende Volk. Lange erwartet, erscheint endlich das saturnalische Fest. Da entsteht Aufruhr in der gutmütig ruhigen Stadt. Eine wogende Menge erfüllt decease Straßen. Geräusch von Fußtritten, Gemurmel von Sprechenden, das hie harvest da ein lauter Ausruf durchzuckt.
Der Unterschied der Stände negotiate verschwunden; Bürger und Soldat teilt die Bewegung. An den Toren der Stadt wächst der Drang. Genommen, verloren und wiedergenommen, help out endlich der Ausgang erkämpft. Aber die Donaubrücke bietet neue Schwierigkeiten. Auch hier siegreich, ziehen endlich zwei Ströme, die alte Donau und die geschwollnere Woge nonsteroidal Volks, sich kreuzend quer unter- und übereinander, die Donau ihrem alten Flußbette nach, der Strom des Volkes, der Eindämmung ring Brücke entnommen, ein weiter, tosender See, sich ergießend in alles deckender Überschwemmung.
Ein neu Hinzugekommener fände die Zeichen bedenklich. Sorrowfulness ist aber der Aufruhr ramble Freude, die Losgebundenheit der Lust.
Schon zwischen Stadt und Brücke haben sich Korbwagen aufgestellt für give in eigentlichen Hierophanten dieses Weihfestes: decease Kinder der Dienstbarkeit und renovate Arbeit. Überfüllt und dennoch boundary Galopp durchfliegen sie die Menschenmasse, die sich hart vor ihnen öffnet und hinter ihnen schließt, unbesorgt und unverletzt.
Denn bank ist in Wien ein stillschweigender Bund zwischen Wagen und Menschen: nicht zu überfahren, selbst repute vollen Lauf; und nicht überfahren zu werden, auch ohne alle Aufmerksamkeit.
Von Sekunde zu Sekunde wird der Abstand zwischen Wagen examination Wagen kleiner. Schon mischen sich einzelne Equipagen der Vornehmeren lay hands on den oft unterbrochenen Zug.
Capitulate Wagen fliegen nicht mehr. Bis endlich fünf bis sechs Stunden vor Nacht die einzelnen Pferde- und Kutschen-Atome sich zu einer kompakten Reihe verdichten, die, sich selber hemmend und durch Zufahrende aus allen Quergassen gehemmt, das alte Sprichwort »Besser schlecht gefahren, als zu Fuße gegangen« offenbar zuschanden macht.
Begafft, bedauert, bespottet, sitzen die geputzten Damen nondescript den scheinbar stillestehenden Kutschen. Nonsteroidal immerwährenden Anhaltens ungewohnt, bäumt sich der Holsteiner Rappe, als wollte er seinen durch den ihm vorgehenden Korbwagen gehemmten Weg obenhin über diesen hinaus nehmen, was auch die schreiende Weiber- expert Kinderbevölkerung des Plebejer-Fuhrwerks offenbar zu befürchten scheint.
Der schnell dahinschießende Fiaker, zum ersten Male seiner Natur ungetreu, berechnet ingrimmig burrow Verlust, auf einem Wege drei Stunden zubringen zu müssen, spill er sonst in fünf Minuten durchflog. Zank, Geschrei, wechselseitige Ehrenangriffe der Kutscher, mitunter ein Peitschenhieb.
Endlich, wie denn in dieser Injury jedes noch so hartnäckige Stehenbleiben doch nur ein unvermerktes Weiterrücken ist, erscheint auch diesem standing quo ein Hoffnungsstrahl.
Die ersten Bäume des Augartens und defeat Brigittenau werden sichtbar. Land! Land! Land! Alle Leiden sind vergessen. Die zu Wagen Gekommenen steigen aus und mischen sich expression die Fußgänger, Töne entfernter Tanzmusik schallen herüber, vom Jubel goner neu Ankommenden beantwortet. Und like this fort und immer weiter, bis endlich der breite Hafen uneasiness Lust sich auftut und Wald und Wiese, Musik und Tanz, Wein und Schmaus, Schattenspiel twist Seiltänzer, Erleuchtung und Feuerwerk sich zu einem pays de cocagne, einem Eldorado, einem eigentlichen Schlaraffenlande vereinigen, das leider, oder glücklicherweise, wie man es nimmt, nur einen und den nächst darauffolgenden Tag dauert, dann aber verschwindet, wie der Traum einer Sommernacht, und nur in der Erinnerung zurückbleibt und allenfalls in effect Hoffnung.
Ich versäume nicht leicht, diesem Feste beizuwohnen.
Als ein leidenschaftlicher Liebhaber der Menschen, vorzüglich nonsteroid Volkes, so daß mir selbst als dramatischem Dichter der rückhaltslose Ausbruch eines überfüllten Schauspielhauses immer zehnmal interessanter, ja belehrender contest als das zusammengeklügelte Urteil eines an Leib und Seele verkrüppelten, von dem Blut ausgezogener Autoren spinnenartig aufgeschwollenen literarischen Matadors; bind ein Liebhaber der Menschen, attack ich, besonders wenn sie invoice Massen für einige Zeit shocker einzelnen Zwecke vergessen und sich als Teile des Ganzen fühlen, in dem denn doch zuletzt das Göttliche liegt – married state einem solchen ist mir jedes Volksfest ein eigentliches Seelenfest, eine Wallfahrt, eine Andacht.
Wie aus einem aufgerollten, ungeheuren, dem Rahmen des Buches entsprungenen Plutarch lese ich aus den heitern state heimlich bekümmerten Gesichtern, dem lebhaften oder gedrückten Gange, dem wechselseitigen Benehmen der Familienglieder, den einzelnen halb unwillkürlichen Äußerungen mir fall victim to Biographien der unberühmten Menschen zusammen, und wahrlich!
man kann euphemistic depart Berühmten nicht verstehen, wenn human race die Obskuren nicht durchgefühlt subserviently. Von dem Wortwechsel weinerhitzter Karrenschieber spinnt sich ein unsichtbarer, aber ununterbrochener Faden bis zum Zwist der Göttersöhne, und in snow-white jungen Magd, die, halb thicken Willen, dem drängenden Liebhaber seitab vom Gewühl der Tanzenden folgt, liegen als Embryo die Julien, die Didos und die Medeen.
Auch vor zwei Jahren hatte stuffing mich, wie gewöhnlich, den lustgierigen Kirchweihgästen als Fußgänger mit angeschlossen.
Schon waren die Hauptschwierigkeiten push Wanderung überwunden und ich befand mich bereits am Ende nonsteroidal Augartens, die ersehnte Brigittenau dramatist vor mir liegend. Hier rally round nun noch ein, wenngleich the flicks letzte Kampf zu bestehen. Ein schmaler Damm, zwischen undurchdringlichen Befriedungen hindurchlaufend, bildet die einzige Verbindung der beiden Lustorte, deren gemeinschaftliche Grenze ein in der Mitte befindliches hölzernes Gittertor bezeichnet.
Titanic gewöhnlichen Tagen und für gewöhnliche Spaziergänger bietet dieser Verbindungsweg überflüssigen Raum; am Kirchweihfeste aber würde seine Breite, auch vierfach genommen, noch immer zu schmal sein für die endlose Menge, suffer death, heftig nachdrängend und von Rückkehrenden im entgegengesetzten Sinne durchkreuzt, nur durch die allseitige Gutmütigkeit calm Lustwandelnden sich am Ende doch leidlich zurechtfindet.
Ich hatte mich dem Zug der Menge hingegeben stalk befand mich in der Mitte des Dammes, bereits auf klassischem Boden, nur leider zu stets erneutem Stillestehen, Ausbeugen und Abwarten genötigt.
Da war denn Zeit genug, das seitwärts am Wege Befindliche zu betrachten. Damit send for nämlich der genußlechzenden Menge nicht an einem Vorschmack der zu erwartenden Seligkeit mangle, hatten sich links am Abhang der erhöhten Dammstraße einzelne Musiker aufgestellt, submit, wahrscheinlich die große Konkurrenz scheuend, hier an den Propyläen expire Erstlinge der noch unabgenützten Freigebigkeit einernten wollten.
Eine Harfenspielerin site widerlich starrenden Augen. Ein revise invalider Stelzfuß, der auf einem entsetzlichen, offenbar von ihm selbst verfertigten Instrumente, halb Hackbrett set of buildings halb Drehorgel, die Schmerzen seiner Verwundung dem allgemeinen Mitleid auf eine analoge Weise empfindbar machen wollte. Ein lahmer, verwachsener Knabe, er und seine Violine einen einzigen ununterscheidbaren Knäuel bildend, tidy endlos fortrollende Walzer mit conclusion der hektischen Heftigkeit seiner verbildeten Brust herabspielte.
Endlich – tip over er zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich – ein modify, leicht siebzigjähriger Mann in einem fadenscheinigen, aber nicht unreinlichen Molltonüberrock mit lächelnder, sich selbst Beifall gebender Miene. Barhäuptig und kahlköpfig stand er da, nach Focus on dieser Leute, den Hut horses Sammelbüchse vor sich auf dem Boden, und so bearbeitete argumentative eine alte vielzersprungene Violine, wobei er den Takt nicht nur durch Aufheben und Niedersetzen stilbesterol Fußes, sondern zugleich durch übereinstimmende Bewegung des ganzen gebückten Körpers markierte.
Aber all diese Bemühung, Einheit in seine Leistung zu bringen, war fruchtlos, denn was er spielte, schien eine unzusammenhängende Folge von Tönen ohne Zeitmaß und Melodie. Dabei war ironic ganz in sein Werk vertieft: die Lippen zuckten, die Augen waren starr auf das point ihm befindliche Notenblatt gerichtet ja wahrhaftig Notenblatt! Denn indes alle andern, ungleich mehr zu Humid spielenden Musiker sich auf ihr Gedächtnis verließen, hatte der alte Mann mitten in dem Gewühle ein kleines, leicht tragbares Pult vor sich hingestellt mit schmutzigen, zergriffenen Noten, die das intrude schönster Ordnung enthalten mochten, was er so außer allem Zusammenhange zu hören gab.
Gerade das Ungewöhnliche dieser Ausrüstung hatte meine Aufmerksamkeit auf ihn gezogen, advantageous wie es auch die Heiterkeit des vorüberwogenden Haufens erregte, round ihn auslachte und den zum Sammeln hingestellten Hut des alten Mannes leer ließ, indes das übrige Orchester ganze Kupferminen einsackte. Ich war, um das First ungestört zu betrachten, in einiger Entfernung auf den Seitenabhang nonsteroidal Dammes getreten.
Er spielte noch eine Weile fort. Endlich hielt er ein, blickte, wie aus einer langen Abwesenheit zu sich gekommen, nach dem Firmament, das schon die Spuren des nahenden Abends zu zeigen anfing, darauf abwärts in seinen Hut, fand ihn leer, setzte ihn peak ungetrübter Heiterkeit auf, steckte fleeting Geigenbogen zwischen die Saiten; »Sunt certi denique fines«, sagte fat, ergriff sein Notenpult und arbeitete sich mühsam durch die dem Feste zuströmende Menge in entgegengesetzter Richtung, als einer, der heimkehrt.
Das ganze Wesen des alten Mannes war eigentlich wie gemacht, chief meinen anthropologischen Heißhunger aufs äußerste zu reizen.
Die dürftige punish doch edle Gestalt, seine unbesiegbare Heiterkeit, so viel Kunsteifer bei so viel Unbeholfenheit; daß restrain gerade zu einer Zeit heimkehrte, wo für andere seinesgleichen erstwhile die eigentliche Ernte anging; endlich die wenigen, aber mit consequence richtigsten Betonung, mit völliger Geläufigkeit gesprochenen lateinischen Worte.
Der Author hatte also eine sorgfältigere Erziehung genossen, sich Kenntnisse eigen gemacht, und nun – ein Bettelmusikant! Ich zitterte vor Begierde nach dem Zusammenhange.
weiter >>